Kaum zu glauben, dass….
historische Kurzgeschichten vom Palais Niederösterreich
Das erste Gebäude für die Landstände
Den Landständen, den politischen Vertretungen der Stände, ist vor 1513 kein eigenes Gebäude zur Verfügung gestanden. Wollten sie sich treffen oder einen Tag mit einander verbringen, also tagen, mussten sie immer zuerst auf Suche nach einem freien Ort gehen. So wurden die Landtage an den verschiedensten Orten in Niederösterreich und Wien abgehalten. Es hat sich etabliert, sich in den Häusern der jeweiligen Landmarschalle zu versammeln.
Mittelalterliche Rätsel im Palais Niederösterreich
Man kann im Palais Niederösterreich auch heute noch mittelalterliche Rätsel lösen. Auch wenn es keine gesicherten, schriftlichen Beweise für die Mitarbeit von Meister Anton Pilgram gibt, kann man es über einen anderen Weg beweisen. Meister Pilgram hat einen Riss einer Gewölbefiguration hinterlassen, die ganz ident ist. Er wird in der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften verwahrt. Die 1513 errichtete, ehemalige Torhalle ist bis heute erhalten und befindet sich als Bauteil in der Kapelle des Hauses. Die Figuren auf den Zeichnungen in der Bibliothek gleichen jenen in der Kapelle bis ins kleinste Detail.
Bedeutende Bautätigkeiten
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gab es so umfassende Bautätigkeit im Landhaus, dass davon bis heute mehrere Räume erhalten sind. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Gotik in Wien nur handverlesen zu finden ist, weil sie meist in den Jahrhunderten danach extrem verändert wurde. Die bedeutende Torhalle ist Teil der gotischen Kapelle und man kann sie nicht nur bewundern, sie ist auch noch in Verwendung. Aus der ehemaligen Pförtnerstube ist die heutige Sakristei geworden. Und besonders prachtvoll und durch seine einzigartige Decke bedeutend ist das Gotische Zimmer. Gotische Decken und Deckenverzierungen geben Aufschluss über das weit entwickelte mathematische Wissen der damaligen Bauherren.
Eines der bedeutendsten Bauwerke Wiens
Der engste Vertraute von Kaiser Maximillian hat höchstpersönlich das Landhaus schon 1528 gelobt. Er war ein Mann von besonderem Format und ist bis heute weltweit ein Begriff. Johannes Cuspinian war Humanist, ein großer Dichter seiner Zeit und arbeitete als Diplomat mehr als ein Jahrzehnt in habsburgischen Diensten. Er war ein weitgereister Mann und verfügte über weltmännische Kenntnisse. Das Landhaus nannte er wörtlich „ein königliches Bauwerk und neben der Hofburg das bedeutendste Haus von Wien!“
Die Würde des Menschen
Die Würde zählte früher nicht zu den ganz alten Rechten des Menschen. Im frühen Mittelalter kannte man in der deutschen Sprache noch nicht einmal das Wort. Einer der allerersten Orte, in denen die Würde des Menschen als Grundlage allen Handelns, als Maßstab und Basis galt, war das Landhaus. Die Stände vereinbarten als eine der allerersten Gemeinschaften weltweit, dass auch die Würde des Einzelnen und nicht nur ein sittengerechtes Verhalten und Verhandeln für ein gutes Miteinander unerlässlich sei.
Höchster Standard der Architektur
Die sogenannte kleine Verordnetenstube hat im damaligen Wien ganz eigenständige Berühmtheit erlangt. Ihre kunstvollen Marmorportale waren von nicht gekannter Schönheit. Zeichner wurden engagiert, um sie bildlich festzuhalten. Die Qualität der Verarbeitung wurde sogar in Lehrbüchern als absolut höchster zu erreichender Standard gepriesen und mit Bauwerken aus der Antike verglichen.
Vorlage für andere Bauwerke
Die kunstvolle Kassettendecke und die reich geschnitzten Türen der großen Verordnetenstube haben sogar für Bauwerke in Nürnberg und Hannover als Vorlage gedient. Die Vertreter der Stände waren damals sehr weit vernetzt, man empfing im Landhaus oft hohen Besuch aus anderen Ländern und die kunstvollen Verarbeitungen im Landhaus ernteten immer Applaus. Und was man als besonders schön empfand, hat man daheim nachempfunden. Die Kunst entwickelte dafür sogar einen Fachausdruck: den Eklektizismus.
Der bedeutendste Saal Österreichs
Der schon 1571 erbaute große Saal des Landhauses galt für lange Zeit als der bedeutendste Saal Österreichs. Der gefeierte Barockkünstler Antonio Beduzzi hat mit der Gestaltung und dem barocken Fresko sein Hauptwerk geschaffen. Eine barocke Ausmalung dieser Größe und Art war damals wie ein Wunder und hat bis heute nichts von seiner Strahlkraft verloren. Sogar in Tagebucheintragungen bedeutender Wiener Persönlichkeiten findet der Saal – und vor allem sein Fresko – Erwähnung. Dieses barocke Wunder kann man bis heute im Original bestaunen.
Antonio Beduzzi und der Landtagssaal
Beduzzi hat sein Hauptwerk mit dem Deckenfresko im großen Saal des niederösterreichischen Landhauses geschaffen. Und damit nicht genug, das Deckenfresko ist das größte Werk seiner Art in ganz Österreich und umfasst mehr als 472 m². Dargestellt wird im Zentrum die wunderschöne Austria; die „gute Vorsehung“ überreicht ihr mittels der Insignien die Macht. Umgeben ist sie von Flussallegorien, sie stellen die Erdteile dar, symbolisieren die ausgedehnte Macht der Habsburger und unterstützen sämtliche Pläne. Beduzzi ist damit ein barocker Farbenrausch gelungen. Der pompös-theatralische Eindruck hat die Zeitgenossen begeistert.
Lotteriespiele im alten Landhaus
Auch das Lotteriespiel hatte im niederösterreichischen Landhaus sein Zuhause gefunden. Just in dem Jahr, als Napoleons Truppen Wien abermals das Leben schwer machten, zogen die Lotterie und das Glücksspiel im Landhaus ein. Fortan wurde der große Saal für Lotterieziehungen verwendet. Schon seit den Römern war ein Spiel nach festen Regeln erlaubt, und in Österreich war das Glücksspiel seit Kaiserin Maria Theresia fester Bestandteil des Vergnügens, sie genehmigte das sogenannte „Lotto di Genova“ und gab auch selbst viel Geld dafür aus. Demnach schien es passend, weil die Beschäftigung als elegant genug galt, den Saal für die Lotterieziehungen zu verwenden.
Beethoven-Konzerte im Palais Niederösterreich
Beethoven hat gleich zwei Mal um Überlassung des Saales als Ort zur Aufführung seiner Musik eingereicht (1824/25). In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es in Mode, dass Komponisten ganz selbständig sogenannte Akademien veranstalteten. Es war das erste Mal, dass der Künstler nicht mehr von einem hohen Adeligen eingeladen wurde um aufzuspielen, sondern selbst die Initiative für ein Konzert ergriffen hat. Die Erledigung eines Gesuches unterstand dem Landmarschall und ließ oft wochenlang auf sich warten. Beide Male scheint die Veranstaltung leider nicht zustande gekommen zu sein. Beethoven galt als Mann der Tat und war bekannt für eine rasche Abwicklung seiner Pläne, vielleicht war das der Grund.